Zu Dokumentationszwecken
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Brinkkötter,
wie mit Ihnen, Herr Brinkkötter, besprochen, bedanken wir uns für die Möglichkeit der verlängerten Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 36 „Neue Halle / östliches RAW-Gelände“ bis Ende der 22. Kalenderwoche und reichen diese hiermit ein.
Im Zuge der nunmehr erfolgten öffentlichen Auslegung des vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 36 „Neue Halle / östliches RAW-Gelände“ haben wir wiederholt sowie nachdrücklich auf die abzusehenden negativen sozialen Auswirkungen auf das mit Wohnungen bebaute Umfeld des RAW-Geländes hingewiesen.
Unsere an Politik und Verwaltung kommunizierten Befürchtungen wurden und werden nach wie vor keineswegs entkräftet, vielmehr wurde durch das Ausbleiben einer Gewichtung auf soziale Belange deutlich, wie dringend der Handlungsbedarf ist, um die Wirtschaftsentwicklung nicht auf dem Rücken der Bevölkerung auszutragen.
Dabei möchten wir noch einmal gezielt auf drei Aspekte hinweisen, die wir in den jetzigen Abwägungen nach wie vor noch nicht ausreichend berücksichtigt sehen:
1) Soziale Belange
Die von uns früh geäußerte Befürchtung, dass die Entwicklung rund um diesen Standort einseitig zugunsten wirtschaftlicher Interessen erfolgt, hat sich einmal mehr bewahrheitet. Die offensichtlich problemlose zeitgerechte Bearbeitung der Anliegen des Investors bei gleichzeitig gebremster Mühe um den Schutz der direkt benachbarten Bevölkerung konterkariert die Ziele des städtischen Zusammenlebens und das Entgegenwirken gegenüber sozialer Folgen, die mitnichten nicht stattfinden. Dies kann und darf im Jahr 2021 nicht mehr das Handeln der Landeshauptstadt repräsentieren.
Die in der Abwägung entsprechend Baurecht genutzte Formulierung, dass keine sozialen Folgen auf dem RAW Gelände zu erwarten seien, mag einerseits stimmen, da das Gelände derzeit eine Brache ist, wir appellieren jedoch unbedingt daran, die sozialen Auswirkungen auf die direkte und nähere Umgebung der Ansiedlung ebenfalls in die Entscheidung einzubeziehen.
Aus unserer Sicht sind die Handlungsspielräume des Durchführungsvertrages den sozialen Belangen Rechnung zu tragen bisher nicht entsprechend der diesem Instrument zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, sowie des erklärten politischen Willens der in die SVV gewählten Parteien genutzt worden.
2) Auswirkungen der Gewerbeansiedlung auf die Verkehrsinfrastruktur
Auch in der nun ausgelegten Form vermissen wir eine realistische Planung des ruhenden Verkehrs, des Individualverkehrs, des Fahrradverkehrs und der Planung des ÖPNV rund um das RAW-Gelände.
Neben der von uns bereits lange kritisierten zu zielorientierten Auslegung der bestehenden Statistiken kommt erschwerend hinzu, dass die weiteren Vorhaben, wie die Ansiedlungen am alten Tramdepot und in der Speicherstadt, sowie das Bauvorhaben des Hotels am Bahnhof, nicht ausreichend in die Planung einbezogen wurden.
Auch diese werden sowohl den Individualverkehr in der Teltower Vorstadt beanspruchen, als auch den ÖPNV. Die geplanten und bereits genehmigten Projekte einschließlich des erwarteten Verkehrsaufkommens, sind im vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 36 nicht ausreichend berücksichtigt., es gibt daher also keine ganzheitliche Betrachtung der Auswirkungen, was schlichtweg an eine fahrlässige Abwägung grenzt.
Die mit der Ansiedlung einhergehenden Flächen für den ruhenden Verkehr sind aus unserer Sicht unbefriedigend dargestellt. Die eingebrachte Verkehrsplanung ist unsere Erachtens nach nicht (mehr) realistisch und eine Überforderung der Infrastruktur zu befürchten.
Des Weiteren droht nach wie vor eine Überlastung der Bahnverbindungen nach Berlin und in das Umland, sowie des Bahnhofgebäudes an sich, sollte nicht der primäre Individualverkehr genutzt werden.
Der Fahrgastverband kritisierte bereits vor geraumer Zeit die Auslastung des Hauptbahnhofes und fehlenden Fluchtmöglichkeiten in Stoßzeiten. Die zur Abwägung herangezogenen Informationen, berücksichtigen darüber hinaus nicht die vermehrte Beanspruchung dieser Bahnstrecke / der Infrastruktur durch die Inbetriebnahme von Tesla. Auch dieser Teil der zur Abwägung genutzten Daten, ist aus unserer Sicht nicht (mehr) realistisch.
3) Belastbare Zahlen zu finanziellen Aspekten / Ausgestaltung des Durchführungsvertrages
Der zu erwartende Nutzen / die zu erwartenden Kosten für die Stadt Potsdam und deren Bürger*innen ist aus unserer Sicht noch nicht ausreichend kommuniziert:
- mit welchen Kosten für z.B. Infrastruktur rechnet die Stadt?
- welchen Einfluss auf die Miet- und Grundstückspreise wird die Ansiedlung kurz-, mittelfristig und langfristig nach sich ziehen?
- welche Mittel müssen bereit gestellt werden, um Gentrifizierung zu vermeiden?
- sind ausreichend Mittel und Ressourcen seitens der Stadt eingeplant und Personalstellen vorbereitet?
- wie sind städtebauliche Investitionen geschützt und was muss für deren Schutz getan werden?
- mit welchen konkreten Gewerbeeinnahmen rechnet die Stadt mittel- und langfristig?
Der Durchführungsvertrag scheint derzeit nicht geeignet, um mittel- und langfristige Planungen vorzunehmen, da Gewinne zum großen Teil den verschiedenen Firmensitzen zugeschrieben werden können.
Wenn ein Großteils der anfallenden Steuern nicht vertraglich vereinbart in Potsdam verbleiben kann oder soll, sollte das den Bürgerinnen und deren gewählten Vertreterinnen klar kommuniziert werden.
Wir bitten die Verwaltung und vor allem die Stadt Potsdam und deren politische Vertreter*innen noch einmal ausdrücklich dem in der Bevölkerung dringenden Wunsch nachzukommen, die sozialen Belange stärker zu gewichten und ganzheitliche Auswertungen heranzuziehen, die im besten Fall nicht nur die Auswirkungen dieses einen Bauprojektes beinhalten, sondern eine Betrachtung der angrenzenden Gebiete mit einbezieht.
Mit freundlichen Grüßen
Anwohner*innen-Initiative Teltower Vorstadt